Für Gott und die Menschen laufen – Irmgard Lehner und Irmgard Sternbauer im Gespräch
Liebe Irmgard Lehner, im Gespräch im Rückblick auf ihre Tätigkeit als Bereichsleiterin hat Monika Heilmann deutlich gemacht, dass sie sie trotz aller Herausforderungen gerne gemacht hat. Mit welchen Gefühlen blickst du auf deine neue Aufgabe als Bereichsleiterin für den Bereich Pfarre & Gemeinschaft?
Irmgard Lehner: Ich finde die Leitung des Bereichs sehr faszinierend, vor allem, weil er so vielfältig ist. Ich komme selbst aus der Pfarre und aus der Pastoral. Auch dort habe ich gerne gearbeitet, weil das Tätigkeitsfeld so bunt war. Für mich ist die Diözese ein lebendiger und spannender Raum.
Natürlich habe ich auch großen Respekt vor der Aufgabe. Der Bereich Pfarre & Gemeinschaft ist ein zentraler Bereich der Kirche in Oberösterreich, denn ohne Pfarren wären wir nicht mehr Kirche. Zum pastoralen Raum „Pfarre“ gehört alles dazu, was Leben ist. Auch die Nicht-Christ:innen, oder Menschen,die mit religiösen Themen nichts anfangen können.
Ein bisschen Wehmut ist dabei, weil ich ab sofort weniger operativ tätig bin. Ich freue mich auf die enge Zusammenarbeit mit den Fachbereichen, die gute gelebte Praxis ist.
Schön finde ich, nach Monika nacharbeiten zu können, die in den letzten drei Jahren den Bereich aufgebaut und eine schöne Kultur des Miteinander entwickelt hat.
Irmgard Sternbauer: Hinsichtlich des „Nacharbeitens“ geht es mir ganz ähnlich. Auch ich habe Respekt vor den Herausforderungen. Der Fachbereich Seelsorger:innen in Pfarren ist ein umfassender, weithin verschränkter. Das zu überblicken ist nicht ganz einfach. Andererseits ist die pfarrliche Seelsorge meine Leidenschaft, genau in dieser Breite, wie sie Irmgard gerade beschrieben hat. Da halte ich es für wichtig, dass die Hauptamtlichen ein gutes Arbeitsfeld haben und sich entwickeln können. Wichtig ist mir ein gutes Miteinander von Hauptamtlichen und Ehrenamtlichen, sowie von Gesendeten und Geweihten. Gemeinsam müssen wir uns fragen: Wie sind wir als Kirche lebendig.
Irmgard Lehner wo siehst du die zukünftigen Herausforderungen im Bereich Pfarre und Gemeinschaft
Irmgard Lehner: Wie finden wir qualifizierte, motivierte Menschen in die Seelsorge? Dahingehend wurde im Handlungsfeld Seelsorge als Grundhaltung und Beruf bereits viel gearbeitet. Ein Ansatzpunkt wird sein, die Menschen berufsbegleitend zu qualifizieren, sowohl theologisch als auch in weiteren Kompetenzfeldern, die für die Seelsorge relevant sind.
Das andere betrifft die Ehrenamtlichen und ihre Rolle in der neuen Struktur. Wie können wir es schaffen, dass sie aus ihrer Taufberufung heraus, das zum Strahlen bringen, was ihnen am Christsein wichtig ist? Und wie in einem zeitlich lebbaren Ausmaß, damit es Freude macht, aber nicht überfordert? Es geht dabei um den Fokus auf das Wesentliche: Darauf, was ist der Kern des Evangeliums in unserer Zeit. Eine Richtschnur dazu kann mein Motto sein, als ich mit zwei kleinen Kindern studiert habe: Es ist immer das wichtig, was dem Leben dient.
Außerdem müssen wir uns die Frage stellen, wie es uns als Kirche in Oberösterreich gelingt, gastfreundlich zu sein, aber auch selbst Gast woanders sein zu können. Das heißt, Kooperationen eingehen, wo wir nicht die „Großen“ sind und lernen, dass es auch schön sein kann, woanders Gast zu sein.
Eine weitere Herausforderung, die damit durchaus in Zusammenhang steht: Welche Gebäude brauchen wir für unsere pastoralen Anliegen und von welchen muss man sich vielleicht verabschieden? Welche Räume kann man gemeinsam bespielen? Das ist auch eine finanzielle Frage: Wie können wir verantwortet agieren? Dazu braucht es immer wieder den Fokus auf das, was uns pastoral ganz wichtig ist. Denn, wir können nicht alles machen. Von manchen muss man sich vielleicht verabschieden. Dazu braucht es gute Gespräche miteinander, um tragfähige Entscheidungen treffen zu können. Mit der Pfarrstrukturreform sind wir damit bereits am Weg.
Irmgard Sternbauer, als Personalreferentin im Fachbereich Seelsorger:innen in Pfarren hast du bereits einen breiten Einblick in die Themen und Herausforderungen des Fachbereichs bekommen. Worauf freust du dich und wo liegen aus deiner Sicht die Herausforderungen für den Fachbereich in der nächsten Zeit?
Irmi Sternbauer: Die Herausforderungen sehe ich bei der Personalsuche sowie in unseren Bildern von Seelsorge im neuen Pfarrmodell. Es gibt viele Menschen, die da ganz viel Herzblut reingegeben haben, ein Seelsorger*innen-Profil leben. Das hab auch ich getan. Die Frage ist: Wie ist das Verhältnis zwischen personaler Seelsorge und dem Zusammenwirken mit Menschen. Auch das Zusammenwirken von Ehren- und Hauptamtlichen ist seelsorgliches Tun. Es ist notwendig, dass die Ehrenamtlichen eine Begleitung haben, eine Ansprechperson bei Konflikten, aber auch dass es einen Wissenstransfer gibt, so dass nicht jede:r das Rad neu erfinden muss. Wichtig ist, zu ermächtigen, so dass es kein Gefälle gibt, im Christsein. Natürlich sind Hauptamtliche anders ausgebildet und es gibt graduelle Unterschiede. Aber es darf nicht der Eindruck erweckt werden, dass Hauptamtliche höherwertigere Christ:innen sind, als Ehrenamtliche. Dabei ist es wichtig, dass wir Hauptamtlichen gute Teamplayer werden.
Gleichzeitig stellt sich immer mehr die Frage, wie wir gut in mehreren Pfarrgemeinden begleiten können und zugleich Schwerpunkte setzen. Wichtig ist die Qualität dessen, was wir machen: Wie sind wir in der Spur Jesu, wie kommt das zum Leuchten.
Irmgard Lehner: Das mag ich unterstreichen. Es ist wichtig, dass wir wissen, was unser Auftrag ist. Es geht nicht um eigene Befindlichkeiten. Viel wichtiger ist, sich zu erinnern, wozu wir da sind: Nämlich das Evangelium zu kommunizieren und in der Spur Jesu unterwegs zu sein. An das können wir uns gegenseitig erinnern. Jede:r auf seine:ihre Art und in der je eigenen Kompetenz, aber auch miteinander, können wir aus dem Geist Jesu leben.
Ihr habt nun schon mehrfach angesprochen, wie schwierig es ist, Mitarbeitende in der Seelsorge zu finden. Irmi Sternbauer woran glaubst du liegt es? Und was würde es brauchen, dass sich hier etwas ändert?
Irmgard Sternbauer: Ich glaube einer der Gründe ist, dass die katholische Sozialisierung und damit die Berührungspunkte weniger werden. Außerdem habe ich den Eindruck, dass es kein moderner, trendiger Beruf ist. Obwohl die Seelsorge ganz viele Bereiche umschließt, die den gegenwärtigen Lifestyle betreffen. Es kommen weniger Mitarbeiter:innen über die klassischen Bildungswege, wie das Theologiestudium. Dafür interessieren sich mehr Menschen in der zweiten Hälfte des Erwerbslebens für das Thema. Dadurch kommen Personen mit anderen Lebenserfahrungen. Das hat eine Qualität, kann aber auch Herausforderung sein.
Aber es gibt auch junge Menschen, die man ansprechen kann. Eine auf die Personen zugeschnittene Werbephase für den Beruf ist notwendig. Wir brauchen und suchen engagierte Leute mit einer guten spirituellen Bodenhaftung, mit Freude und mit Ausstrahlung.
Irmgard Lehner: Wenn ich überlege, welche Menschen sich gewinnen lassen, dann sind es jene, die sagen: Ich brauche Sinn in meinem Tun. Das sind etwa Menschen aus anderen Berufen, die sich für die Jugendpastoral qualifizieren, weil sie für Menschen da sein möchten. Auch mit dem Schöpfungsthema kann man jüngere Menschen erreichen. Da könnten wir auch auf Pfarrebene mehr Impulsgeber sein, das würde auch dem Christlichen entsprechen.
Aber Kirche wird nicht als Ort der Freiheit wahrgenommen, obwohl sie das vom Evangelium her ist, ein Raum der Freiheit in Bezogenheit aufeinander. Da fehlt uns etwas die Glaubwürdigkeit. Das hängt auch mit der fehlenden Geschlechtergerechtigkeit und anderen bekannten Themen zusammen.
Ihr seid beide erfahrene Seelsorger:innen. Was braucht es aus eurer Sicht, um eine gute Seelsorger:in zu sein?
Irmgard Sternbauer: Es braucht definitiv die Liebe zu den Menschen und die Fähigkeit, die Menschen so zu nehmen, wie sie sind. Aber man muss sich auch selbst mögen. Außerdem braucht es Präsenz und eine Vision von dem, wohin wir gehen. Man muss
Teamplayer:in sein und Freude daran haben, gemeinsam etwas zu entwickeln.
Gute Seelsorger:innen sind Menschen, die sich auf Veränderungen einlassen können und sich selbst auch wandeln lassen.
Irmgard Lehner: Dem kann ich zustimmen, möchte aber ergänzen, es braucht auch eine spirituelle Tiefe. Man muss aus dem Geheimnis Gottes heraus leben und für Gott und die Menschen laufen wollen.
Wo bzw. wie seht ihr die Zukunft unserer Diözese oder auch der Kirche im Allgemeinen? Hat sie eine?
Irmgard Lehner: Ich habe auch Mathematik studiert und bin ein realistischer Mensch. Mit Blick auf die Zahlen und nach Deutschland, wo die Erfahrung zeigt, dass wir in Österreich mit etwas Verzögerung eine ähnliche Entwicklung haben, dann werden wir in Zukunft deutlich weniger Menschen in der Katholischen Kirche sein. Es werden weniger Kasualien in Anspruch genommen werden und wir werden weniger zu tun haben. Dazu werden wir weniger Personal haben und auch nicht mehr Ehrenamtliche. Wir werden auch weniger Geld haben, weil wir weniger Kirchenmitglieder haben werden. Sollen wir deshalb verzweifeln?
Wir können überlegen, was der Kern des Ganzen ist. Das Evangelium gibt uns den Auftrag dafür zu sorgen, dass mehr Liebe, Versöhnung und Freude in die Welt kommen, wie unser Bischof immer wieder betont. Das soll unsere Ausrichtung sein und dem sollen wir mit den vorhandenen Ressourcen nachgehen. Nämlich konkret in dem Ort, in der Schule oder in dem Geschäft, in das ich immer einkaufen gehe. Oder in demsozialen Brennpunkt im Stadtteil, in jenem Bauprojekt.
Wir werden lernen müssen, rauszu gehen unddas anzubieten, was wir haben.
Außerdem ist und bleibt der soziale, diakonische Aspekt ganz wichtig. Damit sind wir sehr nahe an dem, was Jesus gemeint hat.
Es wird auch weiterhin pastorale Orte brauchen, an denen sich die Menschen stärken können.
Die Voraussetzung zu all dem ist, dass wir aufwachen. Genau dabei sind wir gerade, aber das ist für manche leichter, für andere schwerer. Genau dort möchte ich als Bereichsleiterin und damit Teil der Diözesanleitung Verantwortung übernehmen: jetzt Entscheidungen zu treffen, damit die neue Gestalt gefunden wird. Das ist schwierig, aber ich will Hoffnung und Zuversicht hochhalten. Trotz der herausfordernden Prognose, aber vielleicht ist gerade diese eine Chance, weil sie uns aufweckt und aufrüttelt. Das sind Geburtsprozesse, die sind nicht immer angenehm, aber es ist wichtig, dass das Kind lebendig auf die Welt kommt.
Irmgard Sternbauer: Da bin ich ganz bei dir. Ich denke, es braucht Leute, die das nicht nur hinnehmen und so weiter zu tun wie immer. Vielmehr ist es notwendig, zu überlegen, wie man adaptieren kann, damit es weitergeht.
Irmgard Lehner: Mir fallen dazu die drei Begriffe Spiritualität, Solidarität, Qualität ein. Die sind gut gewählt und lösen Resonanz aus. Wenn es uns gelingt, in der Weite und in der Tiefe relevant zu sein, dann haben wir Ausstrahlung und Wirkung. Auch wenn die Kirche in 10 Jahren anders ausschauen wird als jetzt.